Hilfe für Menschen ohne Aufenthaltsstatus

Allgemeines

  • Die Informationslage in Deutschland zur Situation von Menschen in der aufenthaltsrechtlichen Illegalität ist nach wie vor ungenügend – sei es mit Blick auf den Umfang des Problems, die konkrete Lebenssituation der betroffenen Menschen oder auch grundsätzliche rechtliche oder administrative Regelungen.
  • Laut BAMF fallen folgende Menschen unter die Kategorie der aufenthaltsrechtlichen Illegalität: „ohne asyl- oder ausländerrechtlichen Aufenthaltsstatus, ohne Duldung und ohne behördliche Erfassung in Deutschland.
  • Die letzte seriöse Schätzung zur Zahl der Betroffenen stammt von der Bremer Wissenschaftlerin Dr. Dita Vogel aus dem Jahr 2014. Demzufolge beträgt die Zahl von Menschen in der aufenthaltsrechtlichen Illegalität in Deutschland zwischen 180.000 und 520.000.
  • Manche Prognosen gehen davon aus, aufgrund der gewachsenen Zahl von Personen, die in den Jahren 2015 – 2018 erfolglos ein Asylverfahren durchlaufen haben, auch die Zahl jener Menschen wachsen wird, die sich ohne Papiere in Deutschland aufhalten. Dies lässt sich bislang jedoch nicht mit konkreten Zahlen belegen.
  • Anders als in anderen EU-Mitgliedstaaten ist der unerlaubte Aufenthalt in Deutschland strafbar (§ 95 Abs. 1 AufenthG).
  • Menschen in der aufenthaltsrechtlichen Illegalität sind in Deutschland vielfach auf andere Personen angewiesen und von diesen abhängig. Damit geht die Gefahr einher, dass sie leichter ausgebeutet werden.

Gesundheitsversorgung und Schwangerschaft/Entbindung

  • Menschen in der aufenthaltsrechtlichen Illegalität in Deutschland haben einen Rechtsanspruch auf medizinische Versorgung von akuten Erkrankungen, Schmerzzuständen, Schwangerschaften und Geburten nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Behördliche Übermittlungspflichten (nach § 87 AufenthG) und die daraus resultierenden Sorge vor einer Statusaufdeckung und Abschiebung verhindern in der Regel jedoch, dass diese gesetzlich garantierten Minimalleistungen in Anspruch genommen werden.
  • Darüber hinaus sind Menschen in der aufenthaltsrechtlichen Illegalität, die sich (unerlaubterweise) in einem Beschäftigungsverhältnis befinden, de jure Mitglieder einer gesetzlichen Krankenversicherung (GKV), auch wenn der Arbeitgeber keine Sozialversicherungsbeiträge abgeführt hat. In der Realität verhindern jedoch weitreichende Mitwirkungspflichten sowie die Verpflichtung zur Offenlegung der Identität die Inanspruchnahme der Leistungen.
  • Wenn öffentliche Behörden – wie Sozialämter oder Krankenhäuser in öffentlicher Trägerschaft – Kenntnis über den Aufenthalt einer ausländischen Person ohne offiziellen Aufenthaltstitel erhalten, sind sie dazu verpflichtet, dies der Ausländerbehörde mitzuteilen.
  • Im Fall einer medizinischen Notfallbehandlung wurde die Übermittlungspflicht 2009 eingeschränkt. Demnach soll der „verlängerte Geheimnisschutz“ bei der Behandlung lebensbedrohlicher akuter Erkrankungen und Verletzungen eine stationäre Notfallversorgung sicherstellen. Patientendaten, die öffentliche Behörden in medizinischen Notfällen von Schweigepflichtigen (wie Ärzten oder Verwaltungspersonal der Krankenhäuser) erhalten, dürfen grundsätzlich nicht an die Ausländerbehörde oder Polizei gemeldet werden. Die Behandlungskosten sollen dem Krankenhaus rückwirkend vom Sozialamt erstattet werden.
  • Allerdings ergeben sich bei der Geltendmachung des Anspruchs auf medizinische Notfallbehandlung regelmäßig Schwierigkeiten. Da bezüglich der rückwirkenden Kostenerstattung durch das Sozialamt Unsicherheiten bestehen, lehnen Krankenhäuser die Behandlung von Notfällen häufig ab oder üben auf betroffene Patienten Druck aus, die Behandlungskosten selbst zu tragen. Letzteres kommt allerdings aufgrund der finanziellen Bedürftigkeit eines Großteils der Betroffenen nicht in Frage, sodass eine medizinische Versorgung auch in medizinisch eindeutigen Notfällen vielfach ausbleibt. Hier muss man nach wie vor große Umsetzungsdefizite von bereits bestehenden sozialen Rechten für Menschen in der aufenthaltsrechtlichen Illegalität feststellen.
  • Schwangere Frauen in der aufenthaltsrechtlichen Illegalität können im Rahmen einer Notfallversorgung entbinden. Bei sonstigen schwangerschaftsbedingten medizinischen Bedarfen greift der „verlängerte Geheimnisschutz“ jedoch nicht. Aus Furcht vor Aufdeckung und aus Mangel an eigenen finanziellen Ressourcen werden Risikoschwangerschaften und sonstige Komplikationen bei schwangeren Frauen in der aufenthaltsrechtlichen Illegalität weder rechtzeitig erkannt noch gynäkologisch betreut. Gleiches gilt für Komplikationen im Bereich der postnatalen Nachsorge.
  • Die entstehenden Versorgungslücken können durch nichtstaatliche, größtenteils ehrenamtlich agierende Initiativen – wie die Malteser Medizin für Menschen ohne Krankenversicherung oder die Medibüros – nur bruchstückhaft gefüllt werden. Weder verfügen diese über die finanziellen und personellen Mittel, noch kann es ihre Aufgabe sein, staatliche Verpflichtungen flächendeckend und dauerhaft zu übernehmen.
  • Das Katholische Forum Leben in der Illegalität hat 2017 ein ausführliches Positionspapier zur Gesundheitsversorgung in der aufenthaltsrechtlichen Illegalität vorgelegt. 2018 hat es dann, zusammen mit anderen NGOs, in einem Parallelbericht zum UN-Sozialpakt zu der Thematik Stellung bezogen. Des Weiteren ist das Forum auch in der Bundesarbeitsgemeinschaft Gesundheit/Illegalität vertreten.
  • Aus Sicht des Forums besteht folgender politischer Regelungsbedarf:
    • Die gesundheitliche Versorgung von Menschen in der aufenthaltsrechtlichen Illegalität ist (gerade auch im öffentlichen Interesse) sicherzustellen.
    • Die mit der Gesundheitsversorgung von Menschen in der aufenthaltsrechtlichen Illegalität und deren Abrechnung befassten öffentlichen Stellen, insbesondere die Gesetzlichen Krankenkassen und Sozialämter, sollten grundsätzlich von den Übermittlungspflichten befreit werden.
    • Es ist gesetzlich klarzustellen, dass die von der Übermittlungspflicht ausgenommenen öffentlichen Stellen Daten auch nicht freiwillig an die Ausländerbehörden übermitteln dürfen.
    • Die mit der Kostenübernahme betrauten Sozialbehörden sind anzuweisen, die Ermittlung der Bedürftigkeit eines Patienten in der aufenthaltsrechtlichen Illegalität dem Untersuchungsgrundsatz gemäß durchzuführen und den Umfang der Mitwirkungspflichten durch das behandelnde Krankenhaus auf ein realistisches Maß zu beschränken.
    • Gerade mit Blick auf die Situation von erkrankten Kindern oder schwangeren Frauen in der aufenthaltsrechtlichen Illegalität sollten schnelle Lösungen gefunden werden. Auch hier gilt wieder: Diejenigen öffentlichen Stellen, die mit der Abwicklung der Kostenübernahme für die Gesundheitsversorgung befasst sind, sollten von Übermittlungspflichten befreit werden.

Schulische Bildung und Kita-Besuch

  • Im Jahr 2011 wurde – nicht zuletzt aufgrund des jahrelangen Engagements des Katholischen Forums Leben in der Illegalität – für Bildungs- und Erziehungseinrichtungen eine Ausnahme von der allgemeinen aufenthaltsrechtlichen Übermittlungspflicht erlassen.
  • Somit haben Kinder in der aufenthaltsrechtlichen Illegalität in Deutschland grundsätzlich die Möglichkeit, auch in öffentlicher Trägerschaft stehende Einrichtungen wie Kitas oder Schulen zu besuchen. Private Schulen und Erziehungseinrichtungen unterliegen ohnehin keiner Übermittlungspflicht, da sie keine öffentlichen Stellen sind.
  • Die Erfahrung der vergangenen Jahre zeigt jedoch, dass der Kita- und Schulbesuch trotz dieser Klarstellung aus unterschiedlichen Gründen oftmals nicht möglich ist (Eine gute Übersicht bietet eine GEW-Studie aus dem Herbst 2015: „Es darf nicht an Papieren scheitern“.).
  • Die Schulpflicht beträgt je nach Ausgestaltung der Rechtsvorschriften der Länder zwischen 9 und 12 Jahre. Kinder in der aufenthaltsrechtlichen Illegalität und Kinder im laufenden Asylverfahren fallen nicht in allen Bundesländern unter die Schulpflicht. Das Recht auf Schulbesuch besteht jedoch für alle Kinder in Deutschland.
  • Ein wichtiger Grund dafür, dass dieses Recht faktisch nicht von allen Kindern wahrgenommen wird, liegt im Informationsmangel: Da viele Schulen keine Kenntnis darüber haben, wie sie mit Kindern in der aufenthaltsrechtlichem Illegalität umgehen sollen, wird die Anmeldung solcher Kinder vorschnell abgelehnt.
  • Des Weiteren muss man an vielen Orten bei der Schulanmeldung eine Meldebescheinigung der Eltern, die Geburtsurkunde des Kindes oder gar den Aufenthaltstitel vorlegen. Die Schule möchte so klären, ob sie örtlich für das Kind zuständig ist. Menschen in der aufenthaltsrechtlichen Illegalität haben jedoch in der Regel keinen gemeldeten Wohnsitz.
  • Ein Hindernis kann auch darin bestehen, dass die Schule fälschlicherweise glaubt, ein Risiko einzugehen, weil vermutet wird, dass Kinder in der aufenthaltsrechtlichen Illegalität nicht unfallversichert seien.
  • Teilweise kündigen Schulen eine Datenweitergabe an die Polizei, Ausländer- oder Meldebehörde an. Auch die zuständigen Schulbehörden sind über die rechtliche Möglichkeit des Schulbesuchs bisweilen nicht informiert.
  • Ebenso besteht auch bei den Eltern ein Informationsdefizit, verbunden mit der Angst vor Aufdeckung des fehlenden Status und einem geringen Vertrauen in die Behörden.
  • Das Informationsdefizit führt also zu einem Umsetzungsdefizit, obgleich die Rechtslage den Schulbesuch durchaus ermöglichen würde.
  • Noch schwieriger ist die Situation bei Kitas: Kinder in der aufenthaltsrechtlichen Illegalität können grundsätzlich eine Kita besuchen, haben jedoch keinen rechtlichen Anspruch darauf. Der Zugang zu öffentlich finanzierten Kitas setzt unter anderem einen rechtmäßigen bzw. gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland voraus, welcher von Menschen in der aufenthaltsrechtlichen Illegalität nicht nachgewiesen werden kann. Da Kinder in der aufenthaltsrechtlichen Illegalität von den Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe ausgeschlossen sind, erschweren Finanzierungsprobleme den Kitabesuch. Einige kirchliche Träger und engagierte private Einrichtungen sind trotzdem bereit, die Kinder aufzunehmen, die Kosten selbst zu tragen und nicht über das Jugendamt abzurechnen. Unabhängig davon hindert die Angst vor Entdeckung viele Eltern in der Illegalität daran, die vorhandenen Möglichkeiten zum Kitabesuch wahrzunehmen. Ein Zugang zu Kitas ist für die meisten Kinder in der Illegalität somit nach wie vor nicht möglich.

Geburtsurkunde

  • Für Menschen in der aufenthaltsrechtlichen Illegalität, die in Deutschland ein Kind bekommen haben und für dieses eine Geburtsurkunde ausstellen lassen wollen, bestehen große Hürden. Aus Angst vor Entdeckung meiden Menschen in der aufenthaltsrechtlichen Illegalität oft den Kontakt zu Behörden – wie etwa zu den für die Ausstellung von Geburtsurkunden zuständigen Standesämtern.
  • In Deutschland geborene Kinder von hier lebenden Menschen in der aufenthaltsrechtlichen Illegalität, die keine Geburtsurkunde besitzen, können weder ihre Existenz noch die Zugehörigkeit zu ihrer Familie nachweisen. Sie sind deshalb besonders gefährdet, Opfer von Menschenhandel oder Ausbeutung zu werden. Ohne Geburtsurkunde ist auch eine eventuelle Integration in das Herkunftsland ihrer Eltern nahezu unmöglich.
  • Art. 7 der UN-Kinderrechtskonvention verpflichtet die unterzeichnenden Staaten zur Ausstellung einer Geburtsurkunde oder zur Aufnahme in ein Geburtenregister für alle auf dem Staatsgebiet geborenen Kinder, unabhängig von ihrem aufenthaltsrechtlichen Status.
  • Zentraler Hinderungsgrund für den Erhalt einer Geburtsurkunde in Deutschland ist: Die Standesämter sind von Amts wegen dazu verpflichtet, zu prüfen, ob ein Kind ausländischer Eltern die deutsche Staatsangehörigkeit durch Geburt erworben hat. Zu diesem Zweck wiederum ist von der Ausländerbehörde die Auskunft einzuholen, ob die Eltern die Voraussetzungen erfüllen. Zudem sind die Standesämter verpflichtet, die Eintragung in das Geburtenregister an die Meldebehörden zu übermitteln, so dass auch die Meldebehörden von dem fehlenden Aufenthaltsstatus Kenntnis erlangen können.
  • Die gesetzliche Pflicht zur Überprüfung des Aufenthaltsstatus der Eltern durch das Standesamt dient dem Zweck der Beurteilung der möglichen Verleihung der deutschen Staatsbürgerschaft an das Kind. Scheidet die Erlangung der deutschen Staatsbürgerschaft des Kindes mangels gesicherten Status der Eltern aber von vornherein aus, so sollte streng genommen kein darüber hinaus gehendes Fragerecht der Standesbeamten bestehen. Damit würde der Standesbeamte keine Kenntnis von der aufenthaltsrechtlichen Illegalität erlangen und könnte in der Folge auch keine Meldung an die Ausländerbehörde durchführen. Faktisch wird diese Möglichkeit jedoch kaum genutzt.
  • Bei realistischer Einschätzung der Verwaltungspraxis ist es daher nur in Einzelfällen möglich, eine Geburtsurkunde – oder zumindest einen beglaubigten Ausdruck aus dem Geburtenregister – für ein neugeborenes Kind in der aufenthaltsrechtlichen Illegalität zu erhalten.

Arbeitsmarkt

  • Menschen in der aufenthaltsrechtlichen Illegalität dürfen rechtlich gesehen keine Beschäftigung aufnehmen. Denn sie verfügen nicht über einen Aufenthaltstitel, der die Aufnahme einer Beschäftigung erlaubt. Nehmen sie dennoch eine Beschäftigung auf, liegt hierin eine bußgeldbewehrte Ordnungswidrigkeit vor. Bei „beharrlicher Wiederholung“ kann ein solches Handeln als Straftat verfolgt werden. Die Gerichte sind wiederum an die Übermittlungspflichten an die Ausländerbehörde gebunden.
  • Ausländer ohne Aufenthaltsrecht arbeiten deshalb „schwarz“ – eine große Anzahl von ihnen in der Dienstleistungs- oder Baubranche, in der Landwirtschaft, Gastronomie oder in privaten Haushalten. Sie erhalten oft keine angemessenen Löhne und können darüber hinaus von ihren Arbeitgebern unter Druck gesetzt werden, Bedingungen in Kauf zu nehmen, die mit dem geltenden Arbeitsrecht und insbesondere dem Arbeitnehmerschutz nicht vereinbar sind. Häufig werden sie so von Ausbeutung, unmenschlicher Behandlung, Missbrauch oder auch Menschenhandel bedroht. Ihre rechtliche Wehrlosigkeit kann sie leicht zu Opfern von Abhängigkeiten, Ausbeutung und Zwangsprostitution machen.
  • Nach einer Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs aus dem April 2014 können „Schwarzarbeiter“ ihren Lohn (unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus) nicht einklagen.
  • Die Frage nach der Leistungspflicht der Unfallversicherung ist anders gelagert. Zum Beispiel konnte eine ukrainische Prostituierte ohne Arbeitserlaubnis im August 2016 vor dem Sozialgericht Hamburg einen Anspruch aus der Unfallversicherung ihres „Arbeitgebers“ erfolgreich einklagen, da auch bei unerlaubtem Beschäftigungsverhältnis die Pflichtversicherung in der gesetzlichen Unfallversicherung besteht.
  • Die Rechte von Beschäftigten in der Illegalität müssen, wie in der EU-Sanktionsrichtlinie vorgesehen, gewahrt werden; das heißt: Es muss sichergestellt werden, dass die betroffenen Arbeitnehmer ausstehende Löhne einklagen können. Den Opfern von Arbeitsausbeutung, unmenschlicher Behandlung, sexuellem Missbrauch und Menschenhandel ist adäquater Rechtsschutz zu bieten. Dazu gehört, dass ihnen (soweit aus humanitären Gründen geboten) unabhängig von der Frage der Strafverfolgung der Tat eine temporäre oder auch längerfristige Aufenthaltserlaubnis zugestanden wird.